Das kleine gelbe Büchlein.
- Tobias
- 18. März 2017
- 2 Min. Lesezeit
Im kleinen gelben Büchlein, welches mich zu meinem Thema, dem Dadaismus führte, lag ein Schwarz-Weiss-Foto. Auf Seite 16, neben dem Kurzgedicht mit dem Titel "Weihnacht bei spiessers".
Auf der Fotografie waren zwei Männer zu sehen. Mein Urgrossvater, wie sich herausstellte. Und der Zweite ist jener, um den es heute gehen soll. Wie meine Grosseltern mir erklärten, war der zweite Mann ein Freund meines Urgrossvaters, sein Name war Carl Böckli, sein Künstlername Bö. Er war Redaktor und Karikaturist der Satirezeitschrift Nebelspalter.
Im kleinen gelben Büchlein gibts auch ein Nachwort, das unverhältnismässig gross ist. (Es umfasst zwölf Seiten und somit ca. ein sechstel des ganzen Buches.) Das Nachwort wurde von Eduard Stäuble verfasst, ein Ehrenvorsitzender der Vereinigung "Pro dadasius lapidar". Im diesem Anhang fand ich einiges über den Dichter und die Gedichte heraus. Zum Beispiel, dass alle Gedichte vom Künstler dadasius lapidar sind, welcher zwischen 1890 und 1918 gelebt haben soll. Es steht sogar:
"Oft nachgeahmt und nie erreicht wurde seither die Dichtung dadasius lapidars. Die ersten, die seiner Kunst nacheiferten, waren die sogenannten Dadaisten. Sie haben sich von dadasius sogar den Namen ausgeborgt. Am nächsten kam wohl Hugo Ball dem verehrten Vorbild. Sein Gedicht «Karawane» hätte zweifellos auch den Beifall dadasius lapidars gefunden"
Danach werden sämtliche Werke von jüngeren Dichter analysiert und kritisiert. Immer mit dem selben Resultat: Keiner ist so perfekt wie dadasius lapidar, allen fehlt noch eine kleine Zutat für ihre Gedichte, Knappheit, Substanz, Klarheit.
Ja sogar mit: "wir übersehen doch nicht, wie gross ihr Abstand ist, zu ihrem Meister und Vorbild dadasius lapidar." wird er gelobt.
Nach diesem übertriebenen und unnatürlichem Lob las ich wenig erstaunt:
"Einer allein unter den Heutigen vereint alle Vorzüge lapidar in seiner Dichtkunst. (...) in der heutigen Zeit: Bö."
Ich musste mehr über Bö wissen. Wikipedia lieferte mir diese Information, welche ich erwartet hatte:
"In dieser Zeit produzierte er als Bö unzählige Zeichnungen, Artikel und Gedichte, zum Teil auch unter Pseudonym (Elsa von Grindelstein, Dadasius Lapidar), komische Lyrik und Nonsens-Gedichte."
Also lag diese vergilbte Fotografie eben nicht einfach so im Heftchen herum. Und dadasius lapidar gab es nie, Ehrenvorsitzender der Vereinigung "Pro dadasius lapidar" gibt es auch nicht, und das Wort Dada kommt eben doch vom französische Wort für Steckenpferdchen.

Quellen:
Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Böckli, 09.03.2017, 19:44 Uhr.
lapidar, dadasius, meine schreibe hat bleibe, zeitnahe lyrik, Rorschach 1968.
Quelle Abb. 1: Fotografie von Tobias Senn.
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