top of page

Der Idiot – Richard Huelsenbeck

  • Tobias
  • 24. Apr. 2017
  • 3 Min. Lesezeit

In diesem Blogeintrag werdet ihr etwas mehr über die Gründung und Entstehung des Dadaismus erfahren.

Denn heute präsentiere ich euch nochmals ein Gedicht, welches von einem Mitbegründer des Dadaismus stammt, von Richard Huelsenbeck.

Der 1892 geborene Richard Huelsenbeck ist in Deutschland aufgewachsen. Er hatte Medizin, Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte teils in Deutschland, in Paris und unter anderem auch in der Schweiz studiert. Danach kehrte er jedoch 1914, zu Beginn des ersten Weltkrieges, nach Deutschland zurück. 1916 ist er aber wie viele andere seiner Künstlerkollegen auch, vor seiner Dienstpflicht in die Schweiz, nach Zürich geflohen. Im Cabaret Voltaire in Zürich gründete er mit weiteren Künstlern wie Hugo Ball (von welchem ich schon das Lautgedicht "Karawane" vorgestellt habe), seiner Frau Emmy Hennings, Hans Arp und Tristan Tzara, die Dada-Bewegung. Ein Jahr später, 1917, kehrte Huelsenbeck aber schon wieder nach Berlin zurück. Dort gründete er mit anderen Mitgliedern nochmals eine Dada-Gruppe. Nach dem ersten Weltkrieg verabschiedete er sich von der kontroversen Kunst und arbeitete als Arzt. Schon drei Jahren vor Beginn des zweiten Weltkrieges musste er mit seiner Familie vor Hitler in die USA fliehen, wo er in New York als Psychiater tätig war. Gestorben ist er allerdings wieder in Europa, 1974, im Tessin im Alter von 82 Jahren.

Ich habe mir das Gedicht "der Idiot" ausgesucht, da es von einer zentralen Person im Zusammenhang mit dem Dadaismus stammt und es für mich perfekt das ereignisreiche und hektische Leben des Autors wiedergibt. Ich empfinde dieses Gedicht als sehr komplex, hektisch, nahezu unverständlich, aber auch als düster und trostlos (Vers 21.: "Ein Kolibri sitzt zwitschernd auf dem Aas", Vers 25/26.: "Mistkäfer gröhlen tief in seinen Lenden; Die haben sich am Eiter, warm, bezecht."). Ich bin mir fast sicher, dass diese dunkle Atmosphäre, welche im Gedicht beschrieben wird, durch den ersten Weltkrieg beeinflusst wurde.

Wie empfindet ihr dieses Gedicht?

Abb1: Richard Huelsenbeck um 1917, als er von Zürich wieder nach Berlin gekommen war, um dort den Dadaismus bekannt zu machen.

Der Idiot

Die grauen Kiemen sind herabgelassen

die Ohren weit und mühsam aufgesperrt;

Aus Augen blöd auf ungeheure Massen

von Welten starrend. Exkrement der Rassen.

Um ihn sie klappern mit den Tischgeräten,

mit roten Tüchern reizen sie den Stier;

Er aber sinkt und schwimmt, von hier

entfernt auf blauen Tulpenbeeten.

Die Ampel ist vor seiner Nase aufgehängt;

Er rührt sie kaum die langen Affenarme,

er brüllt im Lachen doch er scheint gedrängt

zur Wehmut und zum allertiefsten Harme.

In Kirchen sind die roten Teppiche gehängt;

Ein Priester, geil, will ihn mit Pinseln waschen.

Da brennt der Wagen. Die Beamten haschen

vor dem Altar ihn, wo die Kerzen schlendern.

Er stemmt die Arme gegen feste Riemen,

die Ziemer knacken, hart sind Eisenstangen,

und Wände, die im Tanze ihn umsprangen,

zerreißen die herabgelassenen Kiemen.

Ein Kolibri sitzt zwitschernd auf dem Aas,

die Zweige streicheln sorgsam seine Beine,

die aufgereckt wie Wegweiser aus seinem

Bauche glotzen. Im blanken Sonnenscheine.

Mistkäfer gröhlen tief in seinen Lenden;

Die haben sich am Eiter, warm, bezecht.

Ein Bauernkind wirft Steine nach den Enden

seiner Zehen. Auf ihn scheißt ein Knecht.

Richard Huelsenbeck (1916)

Gedichtform:

Strophe: 7

Verse: 28

(7 Quartette)

Reimschema:

Unregelmässiges Reimschema

(abaa, cddc, efef, eggh, ijji, klml, nono)

(Strophe 2: unreiner, umarmender Reim, Strophe 3: Kreuzreim)

Metrum:

Jambus (5-hebiger)

Kadenz:

Männlich (1., 3., 4. Vers)

Weiblich (2. Vers)

Zeit der Entstehung:

15.5.1916 (während erstem Weltkrieg)

Stilmittel:

Metapher: Vers 4, "Exkrement der Rassen."

Dies kann die zu dieser Zeit gehassten Minderheiten darstellen (zum Beispiel die Juden, die Schwarzen ...).

Metapher: Vers 21, "Ein Kolibri sitzt zwitschernd auf dem Aas"

Hier trifft man wieder auf einen typischen Gegensatz, der viel in der Dadakunst vorkommt. Ein Kolibri, ein wunderschöner Vogel, sitzt auf totem Fleisch.

Quelle Gedicht: Schifferli, Peter (Hrsg.), DADA, Dichtung der Gründer, Zürich 1957, S. 37.

Quelle Abb1: [it was the cabaret voltaire], http://www.enormousface.com/dada/4ddada.html, 27.4.2017, 11:36 Uhr.

Quellen: Kunsthaus Zürich, Bibliographische Daten, https://digital.kunsthaus.ch/viewer/!metadata/25347/20/LOG_0019/, 24.4.2017, 19:30 Uhr.

Wikipedia, Richard Huelsenbeck, https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Huelsenbeck, 24.4.2017, 19:03 Uhr.

Wikipedia, Erster Weltkrieg, https://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Weltkrieg, 23.4.2017, 18:53 Uhr.

Wikipedia, Zweiter Weltkrieg, https://de.wikipedia.org/wiki/Zweiter_Weltkrieg, 23.4.2017, 18:55 Uhr.

Falatik Sarah, Huelsenbeck Richard: Phantasie, http://wikifarm.phil-fak.uni-duesseldorf.de/Moderne/index.php/Huelsenbeck,_Richard:_Phantasie, 24.4.2017, 19:07 Uhr.


Comentarios


Aktuelle Einträge
Archiv
Aktuelle Einträge
bottom of page